22.1.14

Ich arbeite zur Zeit an der Zusammenstellung einer Anthologie. Genaueres folgt.

Sehr geehrter Herr Wendland,
mein Name ist Park Jong-Nam. Ich bin Dozent für deutsche Kultur an  der Kim-Il-Sung Universität zu Pjöngjang. Im Zuge eines meine Habilitation vorbereitenden Projektes arbeite ich eine Anthologie der deutschsprachigen Punkrocklyrik. Die Kassierer werden dabei allein wegen ihres  Einflusses berücksichtigt werden müssen; Punk als Kabarett. Das Problem: In Frage kommende Texte sind dem Verlag für fremdsprachige Literatur zu obszön. Vielleicht können Sie mich ja bei der Auswahl unterstützen.
Mit sozialistischen Grüßen,
Park Jong-Nam, Ph.D.
Kim-Il-Sung Universität Pjöngjang
Germanistisches Seminar
김일성종합대학
Demokratische Volksrepublik Korea

6.3.12

»Wieso deinstallierst du mich nur?«

Ich habe gerade meinen Virenscanner von der Platte geschmissen und den Hersteller über die Gründe informiert:


21.1.12

Asyl

Entstanden Anno dazumal für unsere Band Sonnabent. Aus aktuellen Anlass herausgekramt und überarbeitet. Ihr solltet es mal als Aufnahme zu hören bekommen.

Ein Boot aus Plastikflaschen treibt über die hohe See
Erbrochenes und Kot bedecken s'Deck,
Die Sonne brennt erbärmlich, sie tut in den Augen weh,
Die Zeit wird knapp, der Kahn, er hat ein Leck.

Wie viele tote Freunde warfen wir schon über Bord?
Wann haben wir das letzte Mal gegessen?
Vorbeifahrende Schiffe helfen mit beim Völkermord
vor dem wir fliehen. Könnt ihr uns so leicht vergessen?

Meine Schwester vergewaltigt und mein Bruder lang verscholln
Weißt du, wenn es wirklich kalt ist, wohin wir noch gehen solln?
Kennst du Angst ums nackte Leben? Nein, dein Leben ist ein Spiel!
Immer nehmen, niemals geben, fordern wir wirklich zu viel?
Wir wollen nur Asyl.

Man lässt uns einfach sterben, auf dem schönen blauen Meer
Zweiundsiebzig Leute halten aus
wie viele es einst waren, nun, das weiß hier niemand mehr,
für die Lebenden geht es retour nach Haus'.

Denn es kam noch Rettung, ein Frachterkapitän
wusste was er tat anscheinend nicht.
Menschlichkeit wird anscheinend bei euch nicht gern gesehn
Er kam als Menschenschleuser vor Gericht

Meine Schwester vergewaltigt und mein Bruder lang verscholln
Weißt du, wenn es wirklich kalt ist, wohin wir noch gehen solln?
Kennst du Angst ums nackte Leben? Nein, dein Leben ist ein Spiel!
Immer nehmen, niemals geben, fordern wir wirklich zu viel?
Wir wollen nur Asyl.

Ich bin der Letzte aus dem Schiff der noch am Leben ist
Die andern wurden im Krieg massakriert.
Ich denke drüber nach wie hundsgemein das Leben ist,
während neben mir ne Mine detoniert.

Ich kenne nichts als Leere, nur weil sich ein paar Schweine
Aus Stolz um ein Stück Ödland bombardier'n
dieses Ödland - meine Zuhause, doch ein Heimatland alleine
Kann kein Leben in Freiheit garantier'n.

Meine Schwester vergewaltigt und mein Bruder lang verscholln
Weißt du, wenn es wirklich kalt ist, wohin wir noch gehen solln?
Kennst du Angst ums nackte Leben? Nein, dein Leben ist ein Spiel!
Immer nehmen, niemals geben, fordern wir wirklich zu viel?
Wir wollen nur Asyl.

Welches Recht macht euch so zynisch? Denkt daran, wie es euch ging
wenn euch CDU-Visagen selbst geschah wovon ich sing.
"Lasst die Leute halt verrecken" denkt sich der Herr Schünemann
Ich will mich nicht mehr verstecken, denn ich weiß, verdammt, dass man
Politik auch selber machen kann.

23.12.11

Paderborn überzeugt (one great city)

Hat sich d. Verf., geboren und asozialisiert im heiligen Paderborn, also vom Regen in die Traufe begeben? Mitnichten: 


Die Mittage sind grau, die Sonne scheint hier nicht,
es plästert und man sieht kein fröhliches Gesicht
was soll man auch in Ostwestfalen als Tourist?
ich hab es nie vermisst, auch wenn Libori ist
als Großstadt viel zu trist, als Kleinstadt viel zu groß
ich beiß mir auf die Lippen, mir rutscht raus:

Scheiß auf Paderborn.

Es kommt kein Bus mehr, wo soll man auch hin?
Für Bodenständigkeit, da hat man hier noch Sinn.
Die Westernstraße liegt wie ausgestorben dar,
ob hier jemals wer war? Der Papst, der Papst, na klar!
Euch wichtig, mir bizarr. In Wewer ist heut' Schützenfest.
wie's aussieht bleib ich wieder mal zuhaus:

Scheiß auf Paderborn.

Der Regenwald ist von hier unéndlich weit weg
In Neuhaus wurde ja das Morphium entdeckt;
das Schicksal hat für diese Stadt echt viel Humor
ich steh am Westerntor, komm mir wie'n Alien vor
im Dom singt heut ein Chor. Wir ham' der Welt gezeigt
wie günstig sich Kultur erkaufen lässt:

Scheiß auf Paderborn.


(frei nach: The Weakerthans – One Great City)



Ganz recht, es gibt genau drei nennenswerte ostwestfälische Erfindungen: PumpernickelMorphium 
und Regen.

2.12.11

Schreiben an die Gebühreneinzugszentrale

Ach GEZ,

das ist jetzt schon der zweite Brief. Nein, ich habe noch immer keine Glotze. Hey, schon gut, ich verstehe Euch sogar ein bisschen. Ich zahle sogar einigermaßen gern meine Radiogebühren, weil ich begeistert und fast ausschließlich öffentlich-rechtliche Programme sehe und höre. Wirklich! Ich bin davon überzeugt, dass öffentlicher Rundfunk für den Bildungsstandort Deutschland extrem wichtig ist. Im Auto höre ich nur WDR 5, Deutschlandfunk oder NDR Info, zuhause gibt es per Livestream Tatort oder Dokumentationen von 3sat oder arte via Online-Mediathek. Schön, dass die staatlichen Sender im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen sind. Im Gegensatz zu Euch.
Ihr nervt. Deshalb habe ich in diesen Brief statt des Rückformulars einfach
etwas Kram von meinem Schreibtisch getan: Den Verschluss einer Dose İmam Bayıldı (ein Türkisches Auberginengericht namens „der Imam fiel in Ohnmacht“), fünf Cent und etwas getrockneten Spitzwegerich, das hilft gegen „gegen Katarrhe der Luftwege und entzündliche Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut“ – sagt zumindest Wikipedia. Die kalte Jahreszeit steht schließlich vor der Tür. Einfach in einen Teefilter packen, mit heißem Wasser aufgießen und 20 Minuten ziehen lassen.
„Jemand, der mit solch einer widerwärtigen Penetranz aufwartet, sollte mit solch einem Brief schon zurechtkommen“, sagt eine Freundin, der ich gerade von Eurem Brief erzählt habe. Ich finde, dass sie schon irgendwie Recht hat. Mal ehrlich: euer Gebahren hat dem journalistisch exzellenten öffentlichen Rundfunk einen richtig, richtig miesen Ruf bereitet. Ich bring’s mal auf den Punkt: Ihr Pappnasen seid dadurch mitschuldig an der um sich greifenden Volksverdummung.
Ich habe mir sogar zur Untermauerung den nächstbesten Bildungsfernen geschnappt (das ist in meiner kleinen, lauschigen Universitätsstadt gar nicht so einfach!) und ihn nach seiner Meinung zur Programmvielfalt der Öffentlichen befragt. Seine Antwort: „Öffentlisch-reschtlich? Ey, guck isch eh nisch weil die Ficker so von der GEZ, ne ... das sind doch voll die Nazis. Voll aggro sind die Typen, ey.“ Weil ich zumindest über ein kleines Bisschen Geschichtswissen verfüge, kann ich dieser Aussage nicht vollständig beipflichten. Das ist allerdings kein Grund, Euch zu denken: „Puh, so schlimm sind wir also gar nicht!“
Vielleicht bekommt ihr ja anhand des Poststempels oder meiner DNS heraus, wer ich bin. Ihr dürft dann gerne einen Eurer charismatischen Sturmtrupps Außendienstler vorbeischicken, der sich selbst vom völligen Abhandensein eines Fernsehers in meiner gemütlichen Zehnquadratmeterwohnung überzeugen darf. Ich mache ihm auch gern eine Tasse Spitzwegerichtee, wenn er einen Lungenkatarrh hat. Und wenn er Hunger mitbringt: ich kenne ein exzellentes Rezept für Tomatensauce. Natürlich vegan. Nur einen Stuhl müsste er sich selbst mitbringen.
Apropros: Wusstet Ihr eigentlich, dass man sich via Internet die Zeugen Jehovas ins Haus bestellen kann? Die kommen genau so verlässlich wie Ihr. Sollte also demnächst ein freundlicher Außendienstler bei mir auftauchen, sollte er lieber einen Namen tragen, der sich desöfteren im Telefonbuch findet. „Hans Meier“ oder so.


Liebe Grüße,
Onkel Wombat


3.10.11

Wie ich auszog, Kippen zu holen und auf dem Heimweg über mein verloren geglaubtes Selbstwertgefühl und eine Partizipialkonstruktion stolperte.

»Huch, da isses ja!« Als ich gerade federnd in die Knie schnellte, um das glubschige, gallige, glitzernde Ding aus farbenfrohem, verhärtetem Schleim wieder an mich zu nehmen, spürte ich eine kalte, klebrige Berührung auf meinem Handrücken. »Oh, ich wusste nicht ... ich sah es da so liegen und dachte mir, ich heb es auf und gebe es beim Fundbüro ab.« Ein irritiertes »nicht mehr nötig« murmelnd nahm ich es an mich. Noch auf der Suche nach einem richtigen Ort dafür in meiner Tasche nestelnd wagte ich einen scheelen Blick herüber zu ihr. Schwer zu sagen, wie alt sie war. »Irgendwoher kennst du die doch!« Augen wie ein Husky.
Als ich meine Haustür aufschließen wollte, bemerkte ich eine kleine Tabakfaser auf der Rückseite meiner rechten Hand. »Mittelschwerer bis schwerer Tabak. Cavendish? Latakia? Auf jeden Fall naturbelassen.«
Von nun an hatte ich keine Angst mehr.

1.7.11

Sommerabendsonnenstrahl

Sonne kommt. 
Schlägt mich mit zynischer Bronze. 
Fick dich doch! 
Den ganzen Tag warst du weg. 
Jetzt um acht, 
will grade Tagesschau schauen, 
grinst du blöd. 
Persönlich nehm ich's Wetter aus Prinzip.